Reiseführer einer virtuellen Vortragsreise ins 17. Jahrhundert im historischen Sitzungssaal des Alten Rathauses in Weiden war Dr. Klaus-Dieter Herbst aus Jena, Vorsitzender der Erhard-Weigel-Gesellschaft. Eingeladen hatte der Freundeskreis Weiden der Evangelischen Akademie Tutzing zusammen mit der Stadt Weiden aus Anlass des 400.Geburtstag von Erhard Weigel. Dieser Universalgelehrte war im Vortragstitel als „Visionär zwischen Wunder und Wissen“ beschrieben worden. Die virtuelle Reise begann mit der Geburt von Erhard Weigel in der Judengasse 10 in Weiden am 16. Dezember des Jahres 1625 – mitten im Dreißigjährigen Krieg. Wegen ihres evangelisch-lutherischen Glaubens musste die Familie Weigel 1628 nach Wunsiedel flüchten und um ihre Existenz kämpfen. Frühzeitig wurden die außerordentlich überdurchschnittlichen Begabungen des jungen Erhard erkannt. Lateinschule in Wunsiedel, Gymnasium in Halle, Studium an der Universität Leipzig schufen die Voraussetzungen, dass Weigel schon mit 28 Jahren zum Professor am Lehrstuhl für Mathematik in Jena berufen wurde. Bis zu seinem Tode am 21. März 1699 hatte Weigel diesen Lehrstuhl inne. Seine vielfältigen Aktivitäten führten ihn dennoch fast durch ganz Europa. Schon während seiner Ausbildung begegnete Weigel zahlreichen damals bekannten Wissenschaftlern, die ihn fast alle inspiriert haben. Die akademische Welt des 17. Jahrhunderts war überschaubar, man kannte sich. Und es ergaben sich auch rasch Kontakte zu Fürstenhäusern, für finanzielle Unterstützung der Forschung war gesorgt. Unter diesen Rahmenbedingungen entwickelte sich Weigel zu einem Hochschullehrer und Wissenschaftler mit höchster Anerkennung. Auch war es damals noch möglich, dass ein einzelner höchstintellektueller Mensch wie Weigel, fast alle großen wissenschaftlichen Disziplinen beherrschte. In seinem Vortrag erläuterte Dr. Herbst dann diese teilweise völlig unterschiedlichen Wissenschaftsbereiche den Zuhörern anschaulich und mit zahlreichen Beispielen. So war die Mathematik für Weigel „die entscheidende Wissenschaft, um denken zu lernen und andere Wissenschaften betreiben zu können“. Selbst einen mathematischen Gottesbeweis habe Weigel aufgestellt. In der Astronomie deutete er die Erdumdrehung um die Sonne nur sehr vorsichtig an, denn das durfte damals nicht laut ausgesprochen werden. Weigel war auch der erste Wissenschaftler, der einen weltweiten Verlauf einer Sonnenfinsternis berechnet hatte. Auf der Basis seines astronomischen Wissens bemühte sich Weigel fast sein ganzes Leben lang um die Anerkennung eines einheitlichen Kalenders, der den jahrhundertelang geltenden julianischen Kalender überall ablösen sollte. „Weigel hat wesentlich dazu beigetragen, dass der Kalender vereinheitlicht wurde“ sagte Dr. Herbst. Besonders eifrig sei Weigel als Erfinder gewesen. „47 Erfindungen zum Wohle des Gemeinwesens“ zählte der Referent auf, darunter war ein funktionierender Fahrstuhl in seinem Wohnhaus in Jena. 18 Himmelsgloben habe Weigel geschaffen, auch als Vorläufer eines Planetariums. Dazu kämen naturwissenschaftliche Messinstrumente zur Ablösung „astrologischen Aberglaubens“ und für Wetteraufzeichnungen. Die Philosophie sei mit „19 logischen Schlussfolgerungen“ bereichert worden und Weigels Pädagogik zielte auf „ganzheitliche und repressionsarme Erziehung“. Und immer sei es Weigel um die Verbesserung des Allgemeinwohls gegangen, sagte Dr. Herbst.