Der Vorsitzende des VdK Ortsverbandes Tirschenreuth, Manfred Häfner, hieß die vielen, neugierigen Gäste und Herrn Dr. Reinhard Erös, dem Gründer der Kinderhilfe Afghanistan, im großen Pfarrsaal in Tirschenreuth herzlichst willkommen, um in einem Vortrag über seine Arbeit in Afghanistan berichten zu können.
Zunächst ging der Referent auf seine persönliche Erinnerungen an Tirschenreuth ein, wo er in der Koloman-Maurer-Straße geboren und aufgewachsen war – und nur von schönen Erinnerungen berichtete. Einen Teil seiner Schulzeit absolvierte er in Tirschenreuth, das Abitur machte er in Regensburg, studierte dann Politik und Entwicklungshilfe – und startete dann als Fallschirmspringer bei der Bundeswehr, dort studierte er danach Medizin und wurde Militärarzt.
Eingangs stellte er das Land Afghanistan und deren extreme Kontraste kurz vor. So gibt es Höhenlagen von über 7500m und Ebenen bei 500m, die Temperaturunterschiede im Land betragen mehr als 100 Grad Celsius, das Land besitzt eine Vielzahl von Sprachen und Stämmen.
Die Afghanen haben nie fremde Truppen akzeptiert. Schon Alexander der Große musste dies erfahren. Die gleiche Erfahrung machte dann auch die größte damalige Militärmacht Großbritannien, so ging es dann mit der Sowjetunion und den NATO-Staaten weiter.
Die Deutschen haben schon sehr früh auf Bildung gesetzt und in den 1920-er Jahren in Kabul eine deutsche Uni entstehen lassen. Deshalb waren die Deutschen sehr beliebt, weil sie in dieser Zeit Bildung und nicht Krieg gebracht haben.
Die Sowjets marschierten 1979 in Afghanistan ein und hinterließen ein ausgeblutetes Land. Für sie selbst war es aber der Anfang vom Ende der UdSSR.
Besonders tragisch war, dass viele Ärzte in dieser Zeit das Land verlassen haben. Als sehr gut ausgebildete und deutschsprechende Mediziner sind sie - auch in Deutschland - gut und gerne aufgenommen worden. Die Kindersterblichkeit erreichte dadurch Höhen von knapp 50 % - was ihn bewegte, dorthin zu gehen, um zu helfen. Zunächst wurde von seiner Frau Annette eine Schule in der Grenzregion zu Pakistan (Peschawar) gegründet. Er baute zunächst eine einfache medizinische Versorgung, teilweise in den Höhlen Afghanistans, auf.
Nach dem Abzug der Russen haben die Taliban die Macht übernommen und ein extrem hartes Terrorregime eingeführt. Besonders die Frauen mussten sehr leiden. Dies hat aber bis zum 11.09.2001 im Westen niemanden interessiert. Obwohl kein einziger Attentäter Afghane war, wendete sich der Krieg gegen den Terror gegen Afghanistan, weil sich dort Osama Bin Laden versteckt hielt, der ursprünglich von den USA mit Waffen ausgestattet wurde. Erneut herrschte Krieg, Tod und Zerstörung. Unmittelbar nach der Besetzung durch die NATO-Truppen gab es durchaus Freundlichkeiten. Als die Afghanen sahen, dass diese Truppen nicht verschwinden wollten, hatten die Afghanen etwas gegen den weiteren Verbleib dieser Truppen – und so wurden die fremden Truppen wieder aus dem Land geworfen.
Dr. Erös sah dies schon 2001 so kommen – im Gegensatz zu der großen Mehrheit der Experten und Medien, und verweigerte deshalb die Gefolgschaft, eben in Kenntnis der geschichtlichen Realitäten und ging vorzeitig in Pension.
Unzählige Tote und eine unbeschreibliche Zerstörung des Landes waren die Folge für dieses gebeutelte Land. Ca. 70 getötete Kinder gab es allein in seinen eigenen Schulen. Die Kosten des Einsatzes lagen bei 1.200 Mrd. EUR. Mit diesem Geld hätte man viel Gutes tun können.
Schließlich ist die größte Militärmaschinerie der Welt, die NATO, 2021 überstürzt abgezogen.
Danach gab es (nach 40 Jahren!) nun keinen Krieg mehr, keine Raketen schießenden Hubschrauber und Drohnen waren am Himmel zu sehen und zu hören, die Kinder konnten wieder unbeschwert in die Schulen gehen. Korruption, Kriminalität und Drogenanbau waren Vergangenheit. Das Land war frei von fremden Truppen. Negativ war die schlechte Wirtschaftslage, der Hunger, die schlechte medizinische Versorgung und insbesondere die Einschränkung bei der Bildung von Frauen. Mädchen können derzeit Schulen besuchen, aber nicht studieren. Dies bringt Dr. Erös immer auf die Palme, weil sich die Afghanen da selbst ins Knie schießen. Ohne weiblichen Nachwuchs im Medizinbereich müssten dann die Frauen von männlichen Ärzten untersucht werden, was den religiösen Vorstellung der Taliban sehr zuwider läuft. „Ich werde überall dafür kämpfen, dass zumindest im medizinischen Sektor die Mädchen das Abitur machen können, um später Medizin studieren zu können”, betonte der Referent in aller Deutlichkeit. Es habe das Gefühl, dass seine Position mit überwältigender Mehrheit der Afghanen geteilt wird. Die oberste „Führungselite” in Afghanistan wurde von Dr. Erös deutlich abqualifiziert.
Sehr enttäuscht zeigte sich Erös von unseren Medien. Die Bedienung von Narrativen sei den Medien extrem wichtig, dabei wurde bei einem Bericht über Afghanistan sogar von völliger Falschübersetzung nicht zurückgeschreckt. Paschtu sprechen in Deutschland nur ein handvoll Menschen. Dies wurde ausgenützt, um die Menschen hierzulande zu manipulieren.
Die allermeisten Hilfsorganisationen haben das Land lange schon verlassen.
Der Ausbau der Kinderhilfe wird in letzter Zeit verstärkt fortgesetzt. Dr. Erös veranlasste den Bau von einer beeindruckenden Anzahl von 29 Schulen und einer Universität in Afghanistan, die ebenfalls Mädchen den Zugang zu Bildung ermöglichen, und dient somit als große Inspiration. 1400 Lehrkräfte arbeiten für 60.000 wissbegierige Kinder an einer besseren Zukunft des Landes. Viele ausgebildete und fähige Menschen bleiben in Afghanistan und helfen tatkräftig beim Aufbau des Landes mit. Schwerpunkte sind Energieversorgung (von PV-Anlagen und Wasserkraft bis Solarkocher), Versorgung mit Grundwasser, Gesundheitsversorgung und dem Aufbau einer ertragreicheren Landwirtschaft. Leider ist dieses Land immer wieder von heftigen Naturkatastrophen betroffen, die zusätzliche Kräfte binden.
Ganz aktuell gebe es - aus ihm bekannten Gründen - Spannungen mit Pakistan. Er hoffe und glaube, dass es hier nicht zu einem größeren Konflikt kommt.
Bei der anschließenden Diskussion wurde nachgefragt, wie es ihm gelingt, trotz der Restriktionen gewisse Forderungen – wie z.B. den Zugang von Frauen zu Hochschulen und Studienplätzen – frei äußern zu können. Er sagte dazu, er sei in den afghanischen Medien deutlich öfter zu sehen ist, wie hier, und er sage dazu seine Meinung ganz offen, weil er sich Respekt im Land erworben hat.
Nach einer weiteren Frage, wie es die Taliban schaffen konnten, in wenigen Jahren im Norden den knapp 300 Km langen Kusch-Tepa-Kanal für die Bewässerungszwecke bauen zu können. Hier erklärte er, dass er in der Region nicht „zu hause” ist, aber auch dort ist der Aufbauwille zu sehen. Eine Zuhörerin, geboren in Mitterteich und nun im Norden von Afghanistan im Rahmen der UNO tätig, ergänzte, dass auch die UNO noch Hilfsprojekte unterstützt – insbesondere alles, was mit Wasser zu tun hat. Des weiteren wurde noch nachgefragt, wie es um die globale Vernetzung und mit dem Verhältnis zu den Nachbarstaaten bestellt ist. Hier erklärte Dr. Erös, dass das Land sehr isoliert ist, aber von drei Atommächten umgeben ist. Nachdem ja die Russen und der Westen verbrannte Erde hinterlassen haben, bleibt als Großmacht nur China übrig. China hält sich aber bislang sehr zurück, auch weil es problematische Nachbarschaftsverhältnisse gibt.
Abschließend wurde dem Referenten noch ein Geschenkkorb mit heimischen Produkten übergeben und für den überragenden und erhellenden Vortrag gedankt. Ebenso dankte der VdK-Vorstand allen, die am Gelingen dieses Abends beigetragen haben, insbesondere Herrn Mehler für die perfekte Vorbereitung des Vortragsraumes, und natürlich den großzügigen Spendern.