Wahrscheinlich war es nirgends auf der Welt einfacher, der Aufforderung des Pfarrers am Ende des Sonntagsgottesdienstes zu folgen: „Gehet hin in Frieden!“. Lag doch das Wirtshaus „Zum Frieden“ in Neupleußen kaum drei Minuten von der Kirche weg. Auch diesen früher gern genutzten Kalauer ließen die Teilnehmer am 3. Erzählnachmittag in Pleußen bei ihren Erinnerungen an die Nachkriegsjahrzehnte aufleben.
Karl Haberkorn begrüßte die zahlreichen Besucher im Feuerwehrhaus in Pleußen, unter ihnen auch manches jüngere Gesicht. Er freute sich zudem über den Besuch des Archivars der Stadt Mitterteich Herbert Hackbarth und von Werner Männer vom Mitterteicher Arbeitskreis Heimatpflege. Besonders begrüßte er den 98-jährige Ludwig Männer, der sich selber schnell auf dem Foto einer Gruppe von „strammen Jungmännern“ zu Beginn der 50er-Jahre entdeckte und zu den Erinnerungen beitragen konnte.
Lukas Bauer informierte zunächst darüber, wie sich die bisherigen Beiträge der Ortschronisten auf der Homepage der Stadt Mitterteich lesen oder herunterladen lssen. Eine Foto-Rallye durch die Nachkriegsjahrzehnte ließ dann vieles aus dem öffentlichen Leben in Steinmühle und Pleußen aufleben. „Ja, stimmt, da war an der Straße eine DEA-Tankstelle.“ „Das war doch die Fahnenweihe Mitte der 60er“ oder „Das muss 1983 gewesen sein, da sind wir mit dieser Mannschaft aufgestiegen.“ Über vieles wurde diskutiert: Wo war das Maibaum-Aufstellen damals? Wann das Jubiläum des Männergesangvereins? Wirtshäuser? Flaschenbierhandlungen? Läden? Wo stand früher der Kirchenaltar?
Die Fotos waren absichtlich weder thematisch noch chronologisch geordnet, so dass viel Abwechslung garantiert war. Deutlich wurde die Vielfalt des öffentlichen Lebens in der kleinen Gemeinde. Fast exemplarisch für den ländlichen Raum zeigte sich an den Fotos auch der soziokulturelle Wandel im Gemeinde-, Vereins- und Kirchenleben, bei der Dorfentwicklung oder der Auflösung der Gemeinde Pleußen im Jahr 1972. Besondere Akzente setzten Maxi Köstler mit einem Kurzvideo zum Betrieb der Mühle beim „Stoiner“ und ein nachdenklich machender Beitrag von Markus Scharnagl: Zusammen mit Monika Beer-Helm war er bei seinen Recherchen zu Gefallenen und Vermissten des 2. Weltkriegs auch auf Personen aus dem Gemeindebereich gestoßen, die wegen ihrer Behinderung in der Tötungsanstalt Hartheim bei Linz umgebracht worden waren. Ferner gab es Beispiele aus der Fotoausstellung zur Geschichte der Kirchengemeinde, die Rosi Ernst zum Jubiläum im Frühsommer zusammengestellt hatte.
Ihr wie anderen Teilnehmern dankte Friedrich Wölfl für die Überlassung von Fotos und bat die Zeitzeugen um weitere Fotos und Unterlagen, Originale würden natürlich zurückgegeben. Moderator Karl Haberkorn bedankte sich nach gut zwei Stunden für die lebhaften Beiträge und Diskussionen und nicht zuletzt beim Team um Barbara Schaumbeger, das für die Bewirtung mit Kaffee und Kuchen gesorgt hatte. Weil ständig neues Material auftauche, könne er sich im Frühjahr einen ähnlichen Nachmittag vorstellen.